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Faschismus im 21. Jahrhundert

Grund ist die Tatsache, dass neoliberale Denkfabriken es innerhalb kürzester Zeit geschafft haben, den natürlichen Egoismus im Menschen so zu verstärken, dass darüber klassische soziale Eigenschaften wie Solidarität, Gewaltächtung, Heimatverbundenheit, Toleranz, zurückgedrängt, verleumdet und geächtet wurden.

Heimat, Patriotismus, Nationalismus, Volk

Heimat

Heimat muss nicht Abschottung gegen alles Fremde bedeuten, sondern kann verstanden werden als Ort, an dem man geboren wurde oder an dem man leben möchte, weil der Ort mit allen damit verbundenen Faktoren gemäß den eigenen Vorstellungen als am lebenswertesten erscheint. Daraus entspringen automatisch die Bereitschaft und der Wille, etwas dazu beizutragen, dass der gewünschte Zustand erhalten bleibt.

Patriotismus

Patriotismus bedeutet nicht, sich über andere zu erheben, sich selbst als exzeptionell (in Englisch: exceptionalism) anzusehen, wie das US Establishment es den Amerikanern einimpft, oder sich als „Gottes auserwähltes Volk“ zu empfinden, wie dies der Zionismus den Bürgern Israels nahelegt, bedeutet nicht, Sonderrechte herzuleiten, die andere diskriminieren. Patriotismus kann ganz einfach als Erweiterung von Familienliebe verstanden werden. Als Bereitschaft, sich und seine Familie, mit allen Fehlern und Makeln, als Teil der größeren Gemeinschaft anzusehen.

Nationalismus

Nationalismus ist keineswegs die rücksichtslose Durchsetzung eigener Ziele auf Kosten anderer. Vielmehr wurde Nationalismus lange von der Völkergemeinschaft beziehungsweise der UNO gefördert, weil der Nationalismus sich wirksam erwiesen hatte, als Bindeglied zwischen unterschiedlichsten Menschen zu wirken. So wurden Stammesfehden und Grenzstreitigkeiten beendet, und die Teile einer Nation wirkten nicht mehr gegeneinander, sondern für die Gemeinschaft, was wiederum allen zugutekommt.

Selbst die Kommunisten wussten, dass Kosmopolitismus gefährlicher für die solidarische Gemeinschaft aller Menschen ist, als ein gesunder Nationalismus. Die Komintern 1941 sprach dies klar aus:

„Man muss die Idee einer Verbindung von gesundem und richtig verstandenem Nationalismus mit dem proletarischen Internationalismus entwickeln. Der proletarische Internationalismus muss sich auf diesen Nationalismus in den einzelnen Staaten stützen, (weil es) zwischen einem richtig verstandenen Nationalismus und dem proletarischen Internationalismus keinen Widerspruch gibt und geben kann. Ein heimatloser Kosmopolitismus, der nationale Gefühle, die Idee der Heimat negiert, hat mit dem proletarischen Internationalismus nichts gemein…“ (1).

Wenn „Unvergleichbarkeit“, „Alternativlosigkeit“, „Exzeptionalismus“, „unrealistisch“ oder „Verschwörungstheorie“ zu Kampfbegriffen des Establishments werden und genauso von den Neo-Linken übernommen werden, wird nicht mehr nur die Bedeutung eines Wortes vorgeschrieben, sondern werden Angriffskriege, Massenmorde, Verbrechen jeder Art plötzlich zu nicht diskutablen Tatsachen.

„Nicht die Worte sind böse, sondern die Interpretation macht sie zu Gift … oder zum politischen Werkzeug.“

In einer Zeit, in der die so genannten „Verschwörungstheorien“ sich nicht zuletzt dank Snowden, WikiLeaks und dem Internet immer schneller als Tatsachen erweisen und die Behauptungen von Regierungen immer öfter als Lügen, Propaganda und Verschwörungstheorien entlarvt werden, werden die Totschlagargumente „Aluthut“, „Verschwörungstheorie“, gemeinsam mit „Querfront“, „Antisemitismus“ und „rechtsextrem“ in einem selten so geballt gesehenen Maße verwandt. Offensichtlich wollte man keine der üblicherweise zur Unterdrückung einer Diskussion benutzten Diffamierungen auslassen, zu groß schien den Autoren des Artikels das Risiko.

"Wir dürfen nicht wegschauen, wenn Menschen wegen einer Meinung in eine anrüchige Ecke gestellt werden, weil man ihnen ihre Worte interpretiert und nicht zulässt, dass sie sie selbst interpretieren. Wenn Sahra Wagenknecht und Oskar Lafontaine selbst von Jakob Augstein in eine rechte Ecke gestellt werden, nur weil sie wagen, etwas auszusprechen, das auch dem politischen Gegner gefällt, müssen wir aufstehen und dem entgegentreten. Verschämt wegschauen und hoffen, dass man nicht selbst einmal erwischt wird, ist der Beginn vom Ende der Freiheit."

"Wer also etwas verändern will, muss a) die Schere im Kopf vermeiden und b) auch jedem politischen Wettbewerber zubilligen, seine Worte SELBST zu interpretieren. Wir müssen uns die Interpretationshoheit über unsere Worte wieder zurückholen."

"Als im Kaiserreich Kritik am Herrscher durch das Lèse Majèsté bestraft wurde, verstießen, um es dann schließlich dadurch zu Fall zu bringen, tausende von Journalisten mit unterschiedlichsten politischen Meinungen bewusst dagegen, ließen sich auch dafür sogar ins Gefängnis sperren. Wir müssen wieder mit höherem Einsatz in den Diskurs über die Deutungshoheit über eigene Aussagen und damit für die Meinungsfreiheit gehen. Auch wenn wir Niederlagen riskieren, das heißt: Schmähungen, Verleumdungen, persönliche Angriffe. Wer die Verleumdungen des Friedensforschers Daniele Ganser selbst in Wikipedia verfolgte, wird verstehen, was ich meine"

"Seine Meinung zu vertreten bedeutet aber auch, immer bereit zu sein, Argumente dagegen abzuwägen, denn sonst fällt man in eine geistige Verhornung, die zu einer anderen Art der Versteinerung von Vorurteilen führt, die im Ergebnis eine Art innere Interpretationsinquisition wird."

“Dein Anti-Amerikanismus sitzt tief!” – Quatsch, ich bin Karl May- und Amerika-Fan seit je. Aber wer die Weltgeschichte seit 1945 studiert und die endlose Reihe von Kriegen sieht, mit denen vor allem die USA die Erde überzogen haben, kommt als vernünftiger Mensch nicht darum herum, diesen permanenten Massenmord zu kritisieren. Es ist eine entsetzliche und brutale Politik, die die einzige Weltmacht betreibt.

“Deshalb hast du dich über den Wahlsieg von Trump gefreut?” Nein, über Bernie Sanders hätte ich mich gefreut, über Trump nur deshalb, weil die schreckliche Clinton den Bernie weggebissen hat, der die Wahl klar gewonnen hätte. Aber auch Trumps Ansage “to come along mit Russia” fand ich richtig und es ist höchst spannend, wie mit aller Macht versucht wird, ihn davon abzuhalten. Der militärisch-industrielle Komplex braucht einen Feind, Frieden und Verständigung sind geschäftsschädigend…

“Auch viele Rechte finden Putin gut…” – So what? Die finden auch Borussia Dortmund oder Bier oder sogar Rotwein gut. Das ist doch nicht das Problem mit “rechts”, sondern ihr reaktionärer Rassismus. Dieser Schwachsinn von der weißen Rasse und einem speziellen Deutschtum oder Polentum oder Schlagmichtot. Jedes Land hat seine Kulturen und das ist wunderbar, aber daraus eine Suprematie abzuleiten ist Wahnsinn. “Wir müssen den Nationalismus in Folklore verwandeln”, hat schon mein Freund Wolfgang Neuss gesagt…

“Und die Flüchtlinge?” – Da war ich anfangs ganz bei Merkel, die Notaufnahme war ok – und sie ist ok, solange sich Deutschland an Kriegen beteiligt oder Waffen dafür liefert. Wer Fluchtursachen bekämpfen will, muss aufhören, andere Länder in Schutt und Asche zu legen. Aber hier läuft ja jetzt eher das Gegenteil, die Bundeswehr soll für mehr Auslandseinsätze fit gemacht werden, mit grässlichen Werbe-Kampagnen, wie geil das Kämpfen in Mali ist. Das ist die Obergrenze des schlechten Geschmacks – wir wollen mehr Krieg, wir liefern mehr Waffen und wollen gleichzeitig eine Obergrenze für Flüchtlinge, die wir mit dem Export von Panzern und Bomben weiter produzieren.

“Transatlantifa?” – Das ist eine spezielle pseudo-linke Truppe hier, die sich “Antideutsche” nennt und “Israel über alles” als Antifaschismus verkauft, die sämtliche US-Kriege unterstützt und jeden, der da nicht mitzieht, als Nazi und Antisemit deklariert, vor allem wenn er – wie es zum Beispiel Ken Jebsen getan hat- die Besatzungspolitik Israels kritisiert. Oder die Zentrale des Drohnenmords in Ramstein, oder die Aufrüstung der NATO, oder die Geldpolitik der Federal Reserve Bank, oder den CIA-gesteuerten Putsch in Kiew, oder die islamistischen Al CIAda-Söldner in Syrien… Das sind für viele Pseudo-Linke und Grüne und vor allem für die kognitiv dissonanten “Antideutschen” absolute Tabus, wer sie wahrnimmt und anspricht, muss ausgegrenzt und diffamiert werden, sonst bricht ihr verqueres Weltbild zusammen.

“Du solltest die Laudatio auf Ken Jebsen halten bei der abgesagten Preisverleihung…” – Die ist nicht abgesagt, nur ein gemieteter Saal wurde gekündigt, der Preis wird verliehen und wenn nicht im Babylon dann eben anderswo. KenFM und sein Macher haben diesen Preis verdient, denn sie machen ein vorbildliches Programm, anti-militaristisch, anti-kapitalistisch, ur-demokratisch und höchst professionell. Dass darauf nur mit Verleumdung und Diffamierung reagiert wird, ist keine Überraschung, denn sachlich, inhaltlich gibt es keine Argumente. Deshalb wird eben mit dem standardisierten Dreck – “Verschwörungstheorie”, “Antisemitismus” – geworfen.

“Das kennst du doch…” – Ja klar, nach meinen 9/11-Büchern lief das damals genau so: keine sachlichen Argumente gegen die Inhalte, aber kräftige Denunziation des Überbringers. Und für Ken Jebsen fing der ganze Ärger – nach Jahrzehnten als erfolgreicher Moderator und Journalist im ARD-Radio – ja 2011 auch just in dem Moment an, an dem er zum 10. Jahrestag seine Zweifel an der offiziellen Legende äußerte und mich in seiner Sendung reden lies. 9/11 ist ja so etwas wie der Lackmustest für echten Journalismus, wer das Märchen von Osama und den Teppichmessern als Alleintäter nicht stillschweigend akzeptiert, ist für die Großmedien untragbar. Das war schon bei JFK und Lee Harvey Oswald so – und um die Zweifler zur Strecke zu bringen, lancierte damals die CIA die Vokabel “Verschwörungstheoretiker” als Kampfbegriff der psychologischen Kriegsführung. Diese feiert nach 9/11 fröhliche Urstände und heute gehen auch Leute, die sich “links” oder “grün” verstehen, völlig ungeniert und unreflektiert damit um, so auch der Berliner Unkultursenator. Es ist die perfekte Diskurskeule, um unerwünschte Nachrichten und Meinungen außen vor zu halten… allerdings durch inflationären Gebrauch mittlerweile auch schon ziemlich abgenutzt. Noch haben wir einen Rechtsstaat, der Presse-und Meinungsfreiheit garantiert, deshalb werden diese peinlichen Zensurversuche auch scheitern.

Rechtsruck in Deutschland

Weshalb, lässt sich also in Anlehnung an Reich auch heute fragen, suchen Menschen nach vermeintlich „einfachen“, tatsächlich aber durchschaubar falschen Lösungen? Wieso macht Arbeitslosigkeit und Existenzunsicherheit reaktionär statt revolutionär? Warum hat sich die Arbeiterklasse auch 2014 „nicht genügend gewehrt“? Wieso erzeugt zunehmende Immigration chauvinistische Ausgrenzung statt Solidarisierung, zum Beispiel im Kampf gegen die tatsächlichen Verursacher jener Kriege und jener Verelendung, die maßgeblich diese Immigration auslösen? Warum fallen Menschen reihenweise auf rassistische Stereotype herein? Was muss in ihnen vorgehen, dass sie positiv auf Bilder „rechter“ Parteiführer „mit einem Hündchen auf dem Schoß“ reagieren?

Das im Juli 2017 erschienene neue Buch des Psychologen und Psychotherapeuten Andreas Peglau verbindet knappe biografische Informationen zu Reich und zu seiner 1933 erschienenen „Massenpsychologie des Faschismus“ mit Antworten auf Fragen wie

„Wir sollten einen Führer haben, der Deutschland zum Wohle aller mit starker Hand regiert. Was Deutschland jetzt braucht, ist eine einzige starke Partei, die die Volksgemeinschaft insgesamt verkörpert. Was unser Land heute braucht, ist ein hartes und energisches Durchsetzen deutscher Interessen gegenüber dem Ausland. Eigentlich sind die Deutschen anderen Völkern von Natur aus überlegen. Wie in der Natur sollte sich in der Gesellschaft immer der Stärkere durchsetzen. Die Bundesrepublik ist durch die vielen Ausländer in einem gefährlichen Maß überfremdet. Die Ausländer kommen nur hier her, um unseren Sozialstaat auszunutzen. Die Juden arbeiten mehr als andere Menschen mit üblen Tricks, um das zu erreichen, was sie wollen. Es gibt wertvolles und unwertes Leben. Die Verbrechen des Nationalsozialismus sind in der Geschichtsschreibung weit übertrieben worden.“

„Das, wovon Dresdens PEGIDA nur ein Symptom ist, gleicht einem Magma, das überall unter Deutschland, ja weithin unter der Oberfläche vieler europäischer Staaten brodelt. […] Deutschlands markantester Vulkanschlot, durch den jenes Magma an die Oberfläche drang und wöchentlich weiter quoll, entstand in Dresden. Deshalb ziehen Dresdens Demonstranten so viel Aufmerksamkeit auf sich. Sie verdienen diese aber […] weniger um ihrer selbst willen, sondern vor allem als prägnanter Teil jenes größeren Ganzen, das wir wirklich ernst nehmen sollten. Dies ist der Aufstieg von Rechtspopulismus in Europa.“(20)

Der Neoliberalismus – oftmals zutreffender als Marktradikalismus bezeichnet – „bestimmt die Wirtschafts- und Sozialpolitik, die Medienöffentlichkeit und das Alltagsbewusstsein hierzulande so stark wie kaum eine andere Weltanschauung“ (2). Er wird nicht nur von Unternehmerverbänden, CDU-Wirtschaftsrat und Industrielobby vertreten, sondern ist selbst in „Gewerkschaften, Kirchen, Wohlfahrtsverbände“ eingesickert, hat daher „eine öffentliche Meinungsführerschaft errungen, die nur schwer zu durchbrechen ist“

Zugrunde liegen dem Neoliberalismus keine bürgerlich-humanistischen Ideale, geschweige denn die Forderung nach „Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit“, sondern eine, dem Sozialdarwinismus verwandte Verachtung aller, die weder reich noch mächtig sind. Das belegen Ansichten Friedrich von Hayeks, die „den maßgeblichen Referenzpunkt im Neoliberalismus“ darstellen.(4) Als menschliche Triebkraft wird von ihm nur „Eigennutz“ akzeptiert, der maximal die eigene Familie oder sonstige Kleingruppen umschließe. „Wahrer“ Individualismus bestehe in der „Demut vor den unpersönlichen und anonymen sozialen Prozessen“, durch die der Markt das gesellschaftliche Leben gesetzmäßig reguliere. Wer oben oder unten ist, gehöre da auch hin. Hier korrigierend eingreifen zu wollen, gar gemeinsam mit anderen, sei „falscher Individualismus“, führe schlimmstenfalls zu sozialistischem „Kollektivismus“. Freiheit wird hier, macht der Wirtschaftswissenschaftler Ralf Ptak deutlich, ausschließlich als Unterordnung der zu Konsumenten und Produzenten reduzierten Individuen unter das Wirken des Marktes verstanden. Was dabei als Menschenbild übrig bleibt, fasst er so zusammen: „ein dem Eigennutz verpflichtetes, armseliges Wesen, das bestenfalls seine eigene Situation versteht und die persönlichen Lebensbedingungen nur in einem eng begrenzten Rahmen anonymer Regeln beeinflussen kann“ (5).

Um marktfeindliche Beschlüsse vermeintlich unqualifizierter Mehrheiten zu verhindern, müssten Politiker, erst recht demokratische Institutionen durch eine berufene Elite von „original thinkers“ kontrolliert und reglementiert werden.(6) Der Staat soll schwach sein gegenüber dem Kapital, aber stark in seiner Manipulations-, Gängelungs- und Unterdrückungsfunktion gegenüber dem Volk.

Aus Sicht multinationaler Konzerne stellt Demokratie vor allem ein Geschäftsrisiko dar. Wenn die Bevölkerung partout nicht bereit ist einzusehen, dass die Organisation einer Gesellschaft wirtschaftlichen ‚Sachzwängen‘ Rechnung zu tragen hat und dass Löhne und Sozialleistungen äußerst nachteilige Faktoren für die Kapitalvermehrung sind, müssen durch die herrschenden Eliten eben geeignete ‚Strukturanpassungsmaßnahmen‘ auf autoritärem Wege durchgesetzt werden.

Eine wirklich demokratisch organisierte Gesellschaft ist also mit den von den herrschenden Eliten favorisierten Gesellschaftsformen unvereinbar. Wenn schon ‚Demokratie‘ im politischen Geschäft als eine ‚notwendige Illusion‘ erachtet wird, dann sollte die Demokratie eher die Form einer durch geeignete Experten gelenkten ‚Zuschauerdemokratie‘ (‚spectator democracy‘) annehmen als die einer partizipatorischen Demokratie. In einer Zuschauerdemokratie lässt sich die Illusion der Demokratie aufrechterhalten und zugleich eine Stabilität des gegenwärtigen Status politischer Eliten gewährleisten.“

Auch bezüglich der gegen Demokratie und – außerhalb der Eliten – gegen individuelle Freiheit gerichteten Zielsetzungen, gibt es bemerkenswerte Parallelen zwischen rechtsextremer und neoliberaler Ideologie. Letztere behält sich ohnehin „eine autoritäre Option zur Durchsetzung marktwirtschaftlicher Freiheit vor, die für den ‚Notfall‘ auch eine Diktatur nicht ausschließt“ – was die führende neoliberale „Chicagoer Schule“ in den 1970er Jahren bewog, den faschistoiden Machthaber Chiles, Pinochet, offen zu unterstützen (10). Wilhelm Röpcke, später neoliberaler Wirtschaftsberater der Regierung von Konrad Adenauer, hatte schon 1933 geschrieben, „daß Wirtschaftsfreiheit sehr wohl mit einem illiberalen Wirtschaftssystem vereinbar ist“ (11). Ralf Ptak kommentiert: „Der ‚wohlmeinende‘ Diktator wird – wenn nötig – zur Durchsetzung des neoliberalen Wettbewerbsstaates akzeptiert, die Herrschaft der ‚Masse‘ gilt dagegen als entartete Demokratie“ (12).

Auch das „ausgeprägte Freund/Feind-Denken“ – mit dem Hauptfeind Kommunismus (13) – eint „rechte“ und neoliberale Denker.

Auch das „ausgeprägte Freund/Feind-Denken“ – mit dem Hauptfeind Kommunismus (13) – eint „rechte“ und neoliberale Denker. Zudem ist nicht nur dem Rechtextremismus die Annahme „unverrückbare[r], absolute[r] Prinzipen“(14) zu eigen: Der neoliberale Glaube an die Weisheit und Unfehlbarkeit des Marktes und den Kapitalismus als Höhe- und Endpunkt der Anthropogenese ist ähnlich dogmatisch – und ähnlich dümmlich. Schon 1997 arbeiteten Herbert Schui und andere Sozialwissenschaftler in einem Buch mit dem treffenden Titel Wollt ihr den totalen Markt? als wichtige Gemeinsamkeiten von Neoliberalismus und extremer „Rechter“ heraus: „Die Legitimierung des Starken, Durchsetzungsfähigen und Erfolgreichen, die Auslese und der starke Staat sind geeignet, dieselben Gemüter zu begeistern, die sich aus ähnlichen Gründen zum Faschismus hingezogen fühlen“ (15).

Es ist bei all dem nicht verwunderlich, dass bereits in den 1990er Jahren „rechte“ Parteien wie die FPÖ, in Deutschland NPD, DVU und Republikaner auf „die Effizienz eines entfesselten, wieder funktionsfähig gemachten“ – das heißt: über den Sozialstaat triumphierenden – „Kapitalismus“ setzten (16), dass heute die AfD neoliberale Prinzipien verficht und sich „Mitglieder der Neuen Rechten positiv auf Konzepte des Neoliberalismus beziehen“ (17).

Der Neoliberalismus ist also hochgradig selbst „rechts“ und stützt „rechte“ Entwicklungen – Letzteres auch, indem er Verhältnisse erzeugt, die denen der späten Weimarer Republik ähneln.

Wie geht das zusammen? Eigentlich gar nicht: Die Idee der Demokratie, also Volksherrschaft konsequent zu Ende gedacht, bedeutet, dass allen Menschen ein gleichberechtigtes Dasein zusteht – damit auch „Fremden“. Wer vor unseren Grenzzäunen verreckt oder innerhalb unseres Hoheitsgebietes diskriminiert wird, hat aber keine Gleichberechtigung erfahren. Doch im Unbewussten ist es eben kein Problem, sich wechselseitig ausschließende Ideen zu bejahen. Erst wer sich seine widersprüchlichen Ansichten bewusst macht, kann darüber staunen – und sich bestenfalls für die richtige entscheiden. Diese Art von „Persönlichkeitsspaltung“ zu verstehen und sinnvoll mit ihr umzugehen, ist also nur möglich bei Berücksichtigung tiefenpsychologischer Erkenntnisse.

Sich selbst in diesem Sinne zu helfen, ist wertvoll, wie schon Heine wusste:

„Ist das Leben des Individuums nicht vielleicht ebensoviel wert wie das des ganzen Geschlechtes? Denn jeder einzelne Mensch ist schon eine Welt, die mit ihm geboren wird und mit ihm stirbt, unter jedem Grabstein liegt eine Weltgeschichte.“

Bereits wenn wir anfangen, uns bewusster mit der uns umgebenden Realität auseinanderzusetzen, wenn wir Zusammenhänge, wie die von Wilhelm Reich benannten, in diese Auseinandersetzung einbeziehen – obwohl das zunächst Verunsicherung, Angst und Zorn auslösen dürfte – sind wir ein Stück weiter. Es mag kitschig klingen, aber es ist auch rein rational betrachtet zutreffend: Da wir Bestandteil der Welt sind, wird auch diese ein wenig besser, wenn wir besser werden. Und das strahlt aus auf unsere Kinder oder Enkel, eröffnet Partnerschaften und Freundschaften neue Perspektiven, lässt uns Arbeitsverhältnisse und Freizeitbetätigungen kritisch hinterfragen, schärft unser politisches Denken, erleichtert konstruktives soziales Handeln, wirkt in vielleicht homöopathischer Weise auf die Gesellschaft ein. Dass dies kein Wunschdenken ist, bestätigt mir jeden Tag meine Arbeit als Psychotherapeut.

Kinder liebevoll ins Leben zu begleiten, aktiv nach guten und gleichberechtigten Partnerschaften, erfüllter Sexualität und psychischer Gesundheit zu streben, privat und öffentlich autoritär-lebensfeindliche Normen in Familie, Schule, Beruf, Medien, Kirche, Politik und Staat anzuprangern und nach Gleichgesinnten zu suchen, mit denen sich dagegen Widerstand leisten lässt – auch das sind wirksame Mittel, zerstörerischer Gewalt und Krieg die psychosoziale Basis zu entziehen. Nicht von heute auf morgen, doch immerhin: spätestens innerhalb der nächsten Generation. Und das heißt ja: sehr bald.

Wer behauptet: „Ich kann gar nichts tun!“, irrt also schon deswegen. Insbesondere Menschen, die – wie bislang die meisten Mitteleuropäer – in relativem Wohlstand und relativer Sicherheit leben, haben diesbezüglich erwähnenswerten Spielraum.

In dem, was oft „Zivilgesellschaft“ genannt wird, in manchen Vereinen und manchen Nicht-Regierungs-Organisationen, ist dafür eine Vielzahl von Anknüpfungsmöglichkeiten gegeben, ebenso in der erfreulicherweise immer breiter werdenden „Gegenöffentlichkeit“, die Alternativen bietet zu den oftmals die Realität verzerrenden „Leitmedien“.